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“Ich wollte eine Maschine sein” – Gespräch mit einem ehemaligen Elitesoldaten des KSK

Die Eliteeinheit „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) ist innerhalb der Bundeswehr für die hochbrisanten und gefährlichen Einsätze zuständig. Ob die Befreiung von Geiseln in Kampfgebieten oder Spezialaufträge im Rahmen internationaler Kriegseinsätze – die Arbeit der KSK fängt dort an, wo sie für andere Soldaten aufhört. Der Preis für die geheimen und anstrengenden Einsätze ist hoch. Die Öffentlichkeit und das Parlament haben kaum Einblick in die Arbeit der Eliteeinheit und den Soldaten selbst verlangt es oft ihr eigenes Privatleben aufzugeben und bis an die Grenzen der Erschöpfung zu gehen.
Alltagsreporter.de hat einen ehemaligen Soldaten der Bundeswehr getroffen, der die Ausbildung zum KSK-Soldaten über Jahre hinweg absolviert und sogar an Einsätzen teilgenommen hat. Im Interview mit ihm bekommen wir einen Blick in die Eliteeinheit, der oft sogar den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses des Bundestages verwehrt bleibt, wie ein Interview mit dem Oppositionspolitiker Alexander Neu zeigt.

"Beim KSK schaffst du es höchstens vier Jahre" - Mark Erdmann vor dem Verteidigungsministerium

“Beim KSK schaffst du es höchstens vier Jahre” – Mark Erdmann vor dem Verteidigungsministerium

Wir treffen Mark Erdmann*, Mitte zwanzig, vor der Kulisse des Verteidigungsministeriums in Berlin, seinem früheren Arbeitgeber. Er trägt einen schwarzem Windbreaker und Sportschuhe, ganz im typischen Stil der autonomen Szene. Über vier Jahre war er Soldat der Bundeswehr, absolvierte den Grundwehrdienst und schlug eine Laufbahn als Mitglied der Eliteeinheit „Kommando Spezialkräfte“ ein.
Als in ihm Zweifel wuchsen, entschied er sich die Armee zu verlassen und engagiert sich seither in autonomen Gruppen, besucht Demonstrationen gegen Nazis oder die Militarisierung der Gesellschaft. Das Bild von der Bundeswehr und der KSK hat sich während seiner Zeit in der Armee von Grundauf gewandelt.

Einstieg in eine Spezialeinheit

Mark hatte sich bereits kurz nach seiner Ausbildung gegen die Skepsis seiner Eltern und seiner damaligen Freundin bei der Bundeswehr eingeschrieben. Ihn reizte das Gefühl gebraucht zu werden und der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können. Er wollte aber auch explizit zum Kämpfen ausgebildet werden und lernen “zuverlässig zu funktionieren”, wie er sagt. Grundwehrdienst und der normale Job als Soldat langweilten ihn allerdings, deshalb bewarb er sich für die Spezialeinheit KSK. Er spricht mit fester Stimme, wenn er sagt „ich wollte lernen so richtig zu kämpfen, ich wollte eine Maschine sein“. Die Mitgliedschaft bei den Kommando Spezialkräften verprach Anerkennung und Ruhm, die Realität aber sah anders aus.

„Wenn du bei der KSK bist, darfst du mit niemandem über das, was du tust, sprechen.”, berichtet Mark. “Wenn du einen besonders gefährlichen Einsatz hinter dir hast, bekommst du vielleicht einen Orden. Aber niemand gratuliert dir öffentlich und niemand wird irgendwann davon erfahren. Nicht einmal deine engsten Freunde und Verwandten“

Ernüchternder Alltag

KSK-Soldaten beim Training: “Frühs um vier zum Sport geweckt”. Foto: CC-BY-ND Helwin Scharn

Mark denkt, dass die Mitglieder des KSK vom Nachrichtendienst der Bundeswehr, dem militärischen Abschirmdienst (MAD), überwacht und kontrolliert werden. Der psychische Druck sei enorm, offene Meinungsäußerung nicht gestattet und das komplette Leben auf den Dienst ausgerichtet. „Wenn du einen Einsatz machst, kommst du mit Menschen zusammen, die keinen Namen, keine Identität haben. Du weisst absolut gar nichts über sie.“ Auf diese Weise sollen persönliche Beziehungen ausgeschlossen werden und damit Neutralität im Einsatz gewahrt bleiben. Ein Privatleben hat es nicht gegeben, meint Mark. An den Wochenenden hätten zwar alle nach Hause fahren können, aber für langfristige Beziehungen sei dies ein schwerer Umstand und speziell für ihn hätte sich der zeitliche Aufwand für An- und Abreise kaum gelohnt.

Die Ausbildungstage waren einem strengen Rhytmus unterworfen. “Frühs um vier wurden wir zum Sport geweckt.”, erzählt Mark. „Wenn der vorherige Tag besonders lang war, hast du manchmal gar nicht geschlafen. Beim KSK ziehst dir die ganze Zeit Unmengen an Energy Drinks und Cola rein, nur um wachzubleiben.“ Er selbst hätte zwar keine Drogen genommen, muss aber bei der Frage schmunzeln, ob die anderen KSK-Soldaten ebenfalls so streng mit sich sind.
Neben den ständigen körperlichen Trainingseinheiten stünden vorallendingen politische Bildung und der Umgang mit Waffen auf der Tagesordnung. Aber auch Aufstandsbekämpfung wurde gelehrt und in besonderen “Biwak-Camps” waren die Rekruten wochenlang  besonderen Überlebenssituationen ausgesetzt.

Anders als bei der Bundeswehr werden die Vorgesetzten in der Spezialtruppe durchgängig gesiezt und mit dem vollen Dienstrang angesprochen. Mark war nicht bei der eigentlichen Anti-Terroreinheit der Kommando Spezialkräfte, sondern einer Stufe davor, wie er selbst sagt.

Geheimorganisation KSK

Die Kommando Spezialkräfte wurden als Teil der Bundeswehr 1996 gegründet, um besonders anspruchsvolle Kampf- und Anti-Terroreinsätze durchzuführen. Sie untersteht als regulärer Teil der Heeresstreitkräfte offiziell dem Verteidigungsministerium, aber Mark meint, dass gerade die höchsten Stellen erst im Nachhinein von den Spezialeinsätzen erfahren. „Die Bundeswehr arbeitet heute generell im Auftrag von anderen Staaten und relativ autonom.“, sagt er. „Bei den Missionen kommen dann so viele Einflüsse von so vielen Stellen zusammen, das kann dann maximal noch von der Bundesregierung abgesegnet werden. Das Verteidigungsministerium bekommt meist erst während der Einsatz läuft überhaupt etwas davon mit.“

Die Öffentlichkeit erfährt fast nie von den Einsätzen des KSK und selbst die Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Bundestages werden weder davor, noch danach in Kenntnis gesetzt. Dieser Umstand fällt auch Alexander Neu, Oppositionspolitiker der Linken im Bundestag und Mitglied des Verteidigungsausschusses, negativ auf. Er sieht bei den Kommando Spezialkräften, als auch bei der Bundeswehr im Allgemeinen eine gefährliche Entwicklung im Umgang mit Informationen.

Alexander Neu, MdB (Die Linke): “Seit einem Jahr nicht mehr über das KSK informiert.”

„Wir als Parlamentarier werden praktisch seit einem Jahr überhaupt nicht mehr über die Aktivitäten des KSK informiert.“, sagt er im Interview mit Alltagsreporter. Bereits vorher seien nie Details über die Einsätze im Ausschuss diskutiert worden, aber seit einiger Zeit beobachtet er eine größer werdende Intransparenz. „Dank eines besonderen Unterrichtungsverfahrens im Bundestag wissen im Prinzip nur knapp zwei Dutzend Abgeordnete überhaupt etwas von den Einsätzen der Eliteeinheit. Es herrscht ein extrem restriktiver Umgang mit Informationen in Bezug auf die Kommando Spezialkräfte.“, meint Alexander Neu. Die Abgeordneten wären immer mehr auf Informationen abhängig, die sie von Medien bekommen. Journalisten seien oft besser über das KSK informiert, als die Mitglieder des Bundestages. „Es kann nicht sein, wenn es um Leben und Tod geht, dass die Bevölkerung darüber nicht Bescheid weiß.“, sagt er. Weder die Unionsparteien der Regierungsfraktionen im Bundestag, noch die SPD wollten sich zu dem KSK für Alltagsreporter äußern.

Gewissensbisse und Ausstieg aus der Bundeswehr

„Du darfst kein schlechtes Gewissen haben, wenn du jemanden umbringen sollst.“, sagt Mark Erdmann. Er sagt, dass er einmal vor der Situation gestanden habe, einen Menschen umzubringen. Am Ende war er froh, dass es nicht soweit kommen musste. „Das hätte mich mein Leben lang verfolgt.“ Die meisten KSK-Soldaten, erzählt Mark, würden nach der Erfahrung zu töten ein halbes Jahr später die Eliteeinheit verlassen, weil sie „einfach kaputt“ seien.

Werbung für die Bundeswehr. "Irgendwann bist du kein Mensch mehr."

Werbung für die Bundeswehr. “Irgendwann bist du kein Mensch mehr.”

Mit der Zeit quälten ihn Zweifel wegen seiner Mitgliedschaft in der Bundeswehr. Er war mit vielem unzufrieden, besonders mit den nicht-öffentlichen Einsätzen und der generellen Ausrichtung der Armee. “Wenn du die Bundeswehr durchziehst, bist du kein Mensch mehr.”, sagt Mark. “Du wirst wirklich zur Maschine, zum reinen Staatsdiener.” Irgendwann habe er für sich festgestellt, dass diese Welt keine Maschinen brauche, sondern Menschen, die etwas im Kopf haben. Seitdem stand für ihn fest, dass er die Armee verlassen wollte. “Wenn du aus der Bundeswehr raus willst, zählt die Kameradschaft plötzlich nichts mehr. Du wirst eiskalt allein gelassen.”, sagt er. Mark wehrt sich juristisch gegen die “unehrenhafte Entlassung”, mit der er aus der Armee verabschiedet wurde, um bessere Chancen bei zukünftigen Bewerbungen zu bekommen. Im zivilen Leben schlägt er sich bisher mit Nebenjobs durch, bereut seinen Schritt allerdings nicht. “Ich fühle mich jetzt frei, ohne Autorität und mache das, was ich selber will.”, sagt er.

Engagement und Idealismus

Durch Kontakt mit der linken Szene habe sich sein Bild von der Bundeswehr zusätzlich verändert. Zwar hatte Mark immer schon die Grundüberzeugung, dass Menschen selbstorganisiert ohne einen Staat leben sollten, durch die Armee habe er dieses Denken aber unterdrückt. “Die Bundeswehr bringt die Menschen von dem Ideal einer gleichberechtigten Gesellschaft weg.” sagt er. Mark kritisiert, dass Deeskalation und Konfliktvermeidung in der Ausbildung keine Rollen spielen, so wie bei der Polizei. Deshalb engagiert er sich für Alternativen und tritt für einen generellen Wandel in der Gesellschaft ein. “Wir müssen alle friedlicher werden und klar: irgendwann muss es auch eine Welt ohne Grenzen geben.”, sagt er. Die Bundeswehr jetzt direkt einfach aufzulösen, hält er aber für falsch. Nur wenn alle Staaten dieser Welt mitziehen würden, würde es Sinn machen für Mark. “Es gibt noch zu viele Gefahren, für die eine Armee gebraucht wird.”

Am Ende fragen wir ihn, ob er die Bundeswehr vermisse. “Bis auf das Geld nicht.”, sagt er und grinst. “Aber das habe ich für meinen Idealismus aufgegeben.”

* Name geändert

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