Blut ist sein Geschäft – Der Tatortreiniger

tatortfrontWer putzt eigentlich dem Tod hinterher?
Christian Heistermann ist Tatortreiniger. Ein Beruf mit hoher Ekelgrenze

Von Theresa Müller

Heute auf dem Plan: Tatortreinigung.

In einem Seminarraum in Berlin Mahlsdorf sitzen sechs Jugendliche. Auf ihren T-Shirts wird der Aufdruck Gebäudeservice Heistermann deutlich. Ein Mann betritt den Raum – ihr Ausbilder Christian Heistermann. Nach einem kurzen Hallo startet er eine Präsentation. Blutüberströmte Badewannen, verwahrloste Zimmer mit Müllbergen bis unter die Decke, Maden, die an der Stelle einer abgeklebten Silhouette leben, Weinflaschen, Bierflaschen, Alkohol jeder Art. Es sind Bilder vom Alltag. Bilder, die sich einbrennen. „Die meisten haben sich entweder totgesoffen oder Suizid begangen“, sagt der Lehrer Christian Heistermann.

Christian Heistermann ist Tatortreiniger

Christian Heistermann ist Tatortreiniger

Er ist ein stattlicher Mann Mitte vierzig, zieht entspannt an seiner Zigarette, nimmt einen Schluck Kaffee und streift sich durch die Haare. Christian ist nachdenklich, wirkt angespannt und irgendwie gebrochen. „Mit Scheiße wegmachen hat’s angefangen. Scheiße in der Forsterstraße 8, das weiß ich noch ganz genau.“ Orte, die Kulisse für jeden Horrorfilm sein könnten und die Meisten in Angst und Schrecken versetzen, sind seine Arbeitsstätten.

2007 begann Heistermann die Sonderleistung Tatortreinigung anzubieten. „Wir haben einen Anruf bekommen, dass jemand verstorben wäre und sich keiner in die Wohnung traut. Es riecht.“ Gesagt getan. Der erste Einsatz und Christian Heistermann wurde „der Tatortreiniger“. Es folgte ein wahrer Medienrummel. RTL, Gallieo, Ein Job, deine Chance. Der Tatortreiniger wurde interessant. Eine Medienpräsenz, die dem Beruf zwar Aufmerksamkeit verschaffte, aber nicht den nötigen Respekt. „Als Gebäudereiniger wirst du behandelt wie Abfall. Sobald ich mich mit Leuten unterhalte und meinen Beruf sage, hat jeder auf einmal keine Zeit mehr oder einen wichtigen Termin. Ist mein Beruf denn eine Krankheit?“

Nur widerwillig wurde Heistermann zum Putzmann „Ich wollte eigentlich immer Mode und Design studieren, aber das ging nicht. Ich hatte ja nur einen Realschulabschluss“, sagt er und streift sich Gummihandschuhe über, setzt die Atemmaske auf und zieht den Reisverschluss seines Schutzanzuges hoch. So landete Christian schließlich in der Firma seines Vaters und bildet heute neue Generationen aus.

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Der Tatortreiniger in alltäglicher Arbeitskleidung und -umgebung

Auch wenn er die nötige Anerkennung nicht von der Gesellschaft bekomme, als Lehrer zeigt sich Christian souverän, gibt Anweisungen und den Ton an. Zwei seiner Azubis führt er in die eigens präparierte Küche. Abgeklebte Umrisse eines Körpers, eine rote Mixtur aus Ketchup, Chillisauce und Rotwein über dem ganzen Boden verschmiert. Der Anblick ist ekelhaft, der Geruch unangenehm.
„Kein Vergleich zum Ernstfall“, meint der Profi. Mit einem Dampfsauger beseitigen die Azubis zuerst den groben Schmutz. Das blutartige Gemisch verteilt sich bei der Bewegung des Saugers immer weiter auf dem Fußboden, die Farbstoffe haben ihn bereits verfärbt. Nach gut zwanzig Minuten ist nichts mehr zu sehen.

“Man muss schon ein sehr schräger Vogel sein, um die Tatortreinigung gerne durchzuführen. Ich gehe darin nicht auf!“

"Ich gehe darin nicht auf!“ - Bild von einem Tatort

“Ich gehe darin nicht auf!“ – Bild von einem typischen Tatort

Die Arbeit habe nichts mit CIA zu tun und ist weder lustig noch aufregend. Heistermann erzählt, dass er sich oft in Gedanken die letzten Stunden der verstorbenen Person ausmalt, deren Fäkalien und getrocknetes Blut er gerade vom Holzboden scheuert. „Man stellt sich dann bei der Reinigung vor, dass er hier gelaufen ist, dort zum letzten Mal aus dem Fenster gesehen hat und im Klo verendet ist.“

Dem Tode auf den Fersen, mit Mopp und Putzeimer. Besonders die Psyche werde von dem Job in Beschlag genommen, worunter Heistermann sehr leidet. „Wenn man an der Tür klingelt, sind da oft Angehörige, die getröstet werden wollen.“ Er werde gezwungenermaßen zum Seelentröster, obwohl er selbst nicht in der Lage ist, die eigenen Geister zu bekämpfen. „Das eigentliche Problem ist; man macht sich zu viele Gedanken, und das kann einen kaputt machen.“

Der Beruf hat Christian Heistermann sehr geprägt und verändert. Er beschäftigt sich mehr mit Religion, Umweltschutz und möchte das Image des Gebäudereinigers verändern. „Ich wünsche mir weniger Aufmerksamkeit der Medien, dafür mehr Respekt der Gesellschaft.“ Gleichzeitig sagt er aber: „Die Tatortreinigung, die hat mich krank gemacht! Es ist ein Beruf, wo der Alkohol selbst nicht weit ist.“ Er sucht Antworten und möchte seinem Leben wieder eine Richtung geben. Er will seinen Azubis eine Perspektive bieten und das Leben wieder unbeschwert genießen, ohne dabei dem Tod ständig in die Augen sehen zu müssen.
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